Gedenken zum 80. Todestag Magnus Posers
Einer der bedeutenden deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts – Heinrich Mann - schrieb in seiner Würdigung des Deutschen Antifaschistischen Widerstandes:
„Die deutsche Widerstandsbewegung hat es schwerer gehabt als jede andere. In den besetzten Gebieten war das Ziel die Befreiung vom äußeren Feind … Deutsche, die widerstanden, hatten soviel Grund wie andere, sogar mehr als sie. Zerrüttet war auch ihr Land. In Gefahr unterzugehen ist es während aller zwölf Jahre gewesen, der Krieg war nur der offene Ausbruch der Gefahr. Ja, aber niemand hielt es besetzt, kein Fremder, nur eine innere Gewalt … Wer ihr widerstand, auch nur sie ablehnte, hatte nicht ohne weiteres ein Volk, sich darauf zu berufen, ein Volk, dessen Atem er in seinem Rücken fühlt.“ 1
So Heinrich Mann über das Besondere der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung.
Natürlich gehört auch das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zum deutschen Widerstand. Bei vielen der zu diesem Kreis Gehörenden kam allerdings die Erkenntnis über das Wesen des Faschismus sehr spät.
Wie seit Jahren sind wir heute hier zusammengekommen, um Magnus Posers zu gedenken. Vor 80 Jahren wurde er bei seinem Versuch, nach einem Verhör aus dem Gestapo-Gefängnis in Weimar zu fliehen, von der Gestapo angeschossen und in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Wenige Stunden später verstarb er.
Magnus Poser: geboren 1907 in Jena, aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie, er erlernte das Tischlerhandwerk, fand seinen Platz in der KPD; er war groß, breitschultrig, blond und hatte einen großen Bekanntenkreis. Nicht nur einmal hatten faschistische Organisationen versucht, ihn in ihre Reihen zu bekommen.
Seine Verhaftung am 14. Juli 1944 war für die illegale antifaschistische Tätigkeit in Jena und darüber hinaus ein jäher Schlag. Am gleichen Tag war auch Dr. Theodor Neubauer in Tabarz inhaftiert worden. Damit war es den Nazis gelungen, die beiden führenden Köpfe der Thüringer Widerstandsbewegung auszuschalten. Neubauer und Poser hatten in großen Teilen Thüringens den Widerstand aufgebaut, angeleitet, zusammengehalten und zu Aktionen geführt.
Kurz vor seiner Verhaftung hatte Magnus Poser einer Mitstreiterin gegenüber davon gesprochen, dass es im Kreis Jena und Umgebung ca. 500 Antifaschistinnen und Antifaschisten gebe. Zweifellos hatte unsere Stadt und ihr Umfeld - geprägt durch die Universität, das Zeiss-Werk und das Glaswerk - ein großes Potential an gebildeten, zum Denken und Nachdenken fähigen Menschen. Doch ihre verschiedenen weltanschaulichen, sozialen und politischen Bindungen hatten dazu beigetragen, dass keine geeinte Kraft entstanden war, die den Nazis entgegentreten konnte, als diese sich seit 1930 mit Ministern in der Weimarer Landesregierung breit machten und im August 1932 die Regierung Thüringens übernahmen. Noch vor der Machtübernahme Hitlers hatten damit die Nazis in Thüringen alle Möglichkeiten, um die Aktivitäten ihrer Gegner zu verbieten und die Maßnahmen zur - wie sie es ausdrückten - „Brechung jeglichen Widerstandes“ durchzusetzen.
Für alle Gegner der Nazis wurde klar, dass sie sich auf die Illegalität einstellen mussten. In der KPD fanden gesonderte Kurse statt, in denen führende Kräfte für die neuen Bedingungen der Fortsetzung ihres Kampfes gegen den Faschismus geschult wurden. Im Raum Jena waren das u.a. Paul Krahn, Magnus Poser, Michael Fries, Lydia Orban (später die Frau Magnus Posers). Die so Geschulten machten es sich zur Aufgabe, in besonderen Zusammenkünften wiederum die Mitglieder ihrer Partei und ihrer Organisationen auf die zu erwartenden Veränderungen vorzubereiten. Nach der Machtergreifung Hitlers, nach den ersten großen Verhaftungs- und Verbotswellen wurde auch allen anderen antifaschistischen Kräften in Jena klar, das sie sich auf diese neuen Bedingungen einstellen mussten, wenn sie ihrer Überzeugung treu bleiben wollten. Das traf natürlich alle Organisationen, die der KPD und der SPD nahestanden, aber ebenso die Arbeiterchöre, die Arbeitersportler, „Die Naturfreunde“, den Arbeiterradiobund, Kulturvereine, die Arbeiterkapellen, die Kreise und Gruppen christlicher wie auch konservativer Nazigegner.
Trotz Sondergerichten, Terror und Konzentrationslagern fanden sich im Jenaer Raum etwa ab 1937 antifaschistische Kräfte verschiedener Organisationen und Gruppen zum gemeinsamen Handeln zusammen. Dass es dazu in Jena kam – trotz aller sonstigen Unterschiede - gehört auch zu den großen Verdiensten von Magnus Poser. Verbindungen zu anderen Orten und Städten wurden hergestellt, gemeinsam schrieb und verteilte man Flugblätter und Klebezettel, sammelte Geld, es wurden gegenseitig Informationen und Erkenntnisse ausgetauscht und neue Mitstreiter gesucht und zur Mitarbeit herangezogen.
Das hieß auch immer, alle Regeln der illegalen Arbeit zu beachten, die „Neuen“ mussten erst einmal „abgetastet“ werden, ob sich da nicht vielleicht ein Spitzel anbot. Sie mussten sich darüber im Klaren sein, was passierte, wenn sie in die Hände der Gestapo fielen.
In unser heutiges Gedenken an Magnus Poser schließen wir die vielen anderen ein, die unter den schwierigsten Bedingungen Seite an Seite mit ihm gingen.
So die katholische Christin Dr. Anna Gehe, die in den Jahren 1943 bis 1945 mehrere tausend Mark zur Unterstützung von Verfolgten und Insassen des KZ Buchenwald gesammelt hat.
Wir erinnern an Rudi Wehner, Willi Arnold, Paul Brendel, die u.a. am 11. September 1943 auf dem Grundstück des Zeiss-Arbeiters Heinrich Prengel mit Theodor Neubauer über die Antwort des Widerstandes auf den von Göbbels proklamierten „Totalen Krieg“ berieten.
Da war Fritz Grebe, der im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) aktiv war und sein Geschäft am Steinweg als einen Treffpunkt zur Verfügung stellte.
Der Arzt Dr. Hartmann unterhielt Verbindung zu einem Kreis von Medizinstudenten, diskutierten mit ihnen über den Inhalt von Flugblättern.
Ein anderer Arzt, Dr. Otto Schulze, betreute erkrankte Zwangsarbeiter und gab Medizin an sowjetische Kriegsgefangene ab.
In den Jenaer Glaswerken drosselte Walter Kutta die kriegswichtige Produktion an den Schmelzöfen.
Die Jungsozialistin Annemarie Anweiler (verehel. Rambusch) hielt die Kontakte zu Prof. Franz Böhm, Ricarda Huch, zum Buchhändler Albert Steen und anderen.
Paul Krahn stellte Kontakt her zu kriegsgefangenen sowjetischen Offizieren, Gemeinsam begingen sie Sabotageakte im Reichsbahnausbesserungswerk.
Hans Näder, Walter Feuerstein, Edmund Adam legten 1944 Waffenverstecke an.
Prof. Ernst Niekisch gab die Zeitschrift „Widerstand“ heraus und 1932 sein Buch „Hitler – ein deutsches Verhängnis“. 1932 und von 1937 bis 1945 musste er im Gefangenschaft zubringen.2
Und diese Reihe ließ sich noch lange fortsetzen, man möchte möglichst alle nennen.. Sie alle waren immer in Gefahr, durch einen dummen Zufall, eine eigene geringe Unvorsichtigkeit, gewollten oder ungewollten Verrat in die Hände der brutalen Mörder zu geraten.
Sie standen an der Seite Magnus Posers und führten ihren Kampf fort.
Unser heutiges Gedenken ist eine wichtige, notwendige und verpflichtende Angelegenheit. Müssen wir - als Lehren des antifaschistischen Widerstandes – uns fragen:
Sind wir in der Situation, dass Thüringen wieder zum „Modell der Machtergreifung“ wird ?
Kommen wir in absehbarer Zeit in eine Situation, in der wir über Illegalität nachdenken müssen und ihre Erfahrungen benötigen?
1Heinrich Mann: zur Geschichte der Deutschen Antifaschistischen Widerstandsbewegung, Berlin 1957, S. 10.
2Alle Fakten sind folgender Schrift entnommen: Heinz Grün: Bürger aus Jena und Umgebung im Widerstand gegen das Naziregime 1933-1945. Eine Übersicht, hrsg. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen E.V.. Jena 2005.