Stadtrat Mike Niederstraßer zum Entschuldungskonzept
(Beitrag auf der Stadtratssitzung 16.12.09)

Werte Anwesende, liebe Bürgerinnen und Bürger,
uns wurde eben das Entschuldungspaket gepriesen, als ob es vorläufig schon um Weihnachten geht.


Es ist sozusagen ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk an alle, wir sollen uns also freuen.
Aber vielleicht sollten wir doch versuchen, das Paket noch einmal aufzuschnüren und mal zu schauen, was eigentlich drin ist. Und dann geht es auch gleich los. Wir sehen dann in Gesprächen mit KIJ, mit TWJ, einen Enthusiasmus, der sich in etwa so begründet: „Naja, wir sind ja auch Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, da müssen wir was machen.“
Okay, Begeisterung sieht anders aus.


Das Konzept hat aber wegen der Frage: „Warum muss das Ganze eigentlich an KIJ gehen?“ eine offene Flanke. Da wird dann gesagt, es seien 'gute Erfahrung mit der Schulsanierung' und mit anderen Konzepten... Auf der anderen Seite sehen wir, aus der Zeit, wo die Entschuldung nicht bei KIJ lag, ist es ja nicht so gewesen, dass wir nicht entschuldet hätten. Wir entschulden sogar jetzt und in den vorigen Jahren deutlich mehr, als im künftigen Plan. Es scheint also irgendwie auch nicht so zu sein, also dass es bisher im Fachbereich Finanzen irgendwie nicht geschafft hätte, die Entschuldung
dort zu betreiben.


Das Konzept ist aber auch damit begründet, es müsse jetzt einen Vertrag geben. Warum aber soll es einen solchen Vertrag geben? Nun, damit die Flexibilität, die bisher da war, offensichtlich nicht mehr in diesem Maße da ist, sondern eine Festschreibung stattfindet. Ich erinnere noch mal daran:
bisher waren es 5 - 7 Mio. € (Entschuldung pro Jahr), künftig werden es 2 Mio. € sein. Es scheint es also nicht zwingend, mit diesem Vertrag eine höhere oder eine bessere Entschuldung zu bekommen.


Es gibt aber auch noch andere Probleme in diesem Bereich. TWJ z.B. verpflichtet sich über die nächsten 15 Jahre einen sicher abschätzbaren Gewinn zu erwirtschaften, wobei sie uns heute in den Gremien immer sagen, dass sie eigentlich noch nicht einmal wirklich planen können, wie es allein schon im kommenden Jahr weitergeht, welcher Gewinn erwartet werden kann. Wir verpflichten sie nun aber gewissermaßen, ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel zu erreichen und über 15 Jahre die wirtschaftliche Entwicklung der TWJ vorherzusehen. So etwas kann mensch ambitioniert nennen, mensch kann aber auch noch mal überlegen, ob das wirklich funktioniert.


Ähnliches Problem bei KIJ. Die 900.000 €/a sind da ein bisschen weniger, aber natürlich müssen die auch irgendwo herkommen. KIJ erwirtschaftet seine Gewinne im Wesentlichen dadurch, dass sie Grundstücke verkaufen, sozusagen über ihrem Wert und zum anderen aus Mieten und Pachten.


Da wird dann die Frage beim Verkauf von Grundstücken sein, wie eigentlich die Verkaufsstrategie bestellt sein muß, damit die Pflichtgewinne auch wirklich erzielen können. Wird es also so sein, dass darauf geschaut werden kann, ob z.B. auf den verkaufbaren Flächen sozialer Wohnungsbau stattfindet oder muss mensch dann doch eher zusehen, dass möglichst viel Geld herein kommt, da die Renditeziele vorgeschrieben sind? Die andere Variante wäre: Wenn das bei den Verkäufen nicht klappt, naja, dann sind die Mieten und Pachten für Gärten und Garagen dran. Auch eine Idee. Vielleicht auch nicht unbedingt das Schönste für unter den Weihnachtsbaum.


Die andere Sache, die wir auch noch im Paket haben, ist die Absicht ein Neuverschuldungsverbot in die Hauptsatzung zu schreiben. Das ist gerade ein bisschen Mode irgendwie. Das macht man überall, da machen wir es auch. Brauchen wir es aber auch?


Nehmen wir künftig neue Schulden auf, dürfen diese Mittel nur für rentierliche Ausgaben genutzt werden. Neben der ganzen Unschärfe, was eigentlich rentierliche Ausgaben sein sollen, was ein bisschen der einer freien Einschätzung obliegen, haben wir immer die Möglichkeit, es im Haushalt so zu schieben, dass am Ende eine rentierliche Ausgabe als Grund ersichtlich ist. Dann nehmen wir den Kredit eben nicht dafür, wofür er „eigentlich“ gebraucht auf, sondern für anderen Ausgaben, die sich rentieren werden. Das ist dann wenigstens ein bisschen - zurecht geschoben, nenne ich es mal.


Das eigentliche Problem ist aber, dass wir mit dem ganzen Vertrag deutlich weniger finazielle Flexibilität haben werden. Wir brauchen ihn nicht, und das betone ich noch mal, um Jena zu entschulden.


Wir haben aber, wenn wir uns an den Vertrag halten wollen, kaum noch die Möglichkeit auf z.B. soziale oder wirtschaftliche Entwicklungen in dem Maße flexibel zu reagieren, wie wir das unter Umständen tun müssen und heute noch können. Wir haben mit der Festlegung des Neuverschuldungsverbots, wenn wir uns daran halten wollen, auch nicht mehr die Möglichkeit, auf bestimmte Entwicklungen so zu reagieren und in dem Umfang gegenzusteuern, wie es notwendig wäre. Und deswegen geht es der Linken nicht etwa darum, Jena nicht zu entschulden, sondern wenn, dann nicht auf diese Weise. Wir wollen nicht mit dieser sehr statischen Lösung arbeiten, nicht TWJ vorschreiben, wie viel Gewinn sie in den nächsten Jahren haben werden und nicht bei KIJ auch schon die Entwicklung für die nächsten 15 Jahre vorhersehen. Wir stehen auch für eine Entschuldung, aber
nicht mit diesem Konzept der Entmachtung des Stadtrates und der ökonomischen Zurichtung der kommunalen Unternehmen fast einzig auf dieses Ziel hin. Entschuldung ist eine, aber keineswegs die einzige und wichtigste politische Prämisse in einem sozialen Gemeinwesen. Deswegen meine ich: dieser ganze Plan steht auf tönernen Füßen und ist als Weihnachtsgeschenk für Jena eher doch nicht so geeignet.