Stadt Jena lässt Katzen und Tierschützer*innen im Stich

Starke Kritik äußert DIE LINKE an der Entscheidung der Stadt, keine neue Rechtsgrundlage hinsichtlich der Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen zu schaffen. Die notwendig gewordene Aufhebung der Vorgängerregelung hatte der Stadtrat in der August-Sitzung behandelt. Jens Thomas, Fraktionsmitglied der LINKEN, argumentiert, dass der Freistaat Thüringen den Landkreisen und kreisfreien Städten dafür extra das Recht eingeräumt hat, Gebiete, mit tierschutzrechtlich bedenklich hohen Populationen zu identifizieren und für diese eine Kastrationspflicht zu erlassen. „Warum die Stadt Jena hiervon nicht Gebrauch macht, erschließt sich mir nicht“, sagt Thomas. Schließlich stelle das Land finanzielle Mittel zur Einführung sowie Verstetigung einer Katzenschutzverordnung zur Verfügung. Leidtragende seien nun die Tierschutzvereine, die sich ehrenamtlich um die Straßenkatzen kümmern und nicht zuletzt die Tiere, die ohne menschliche Versorgung ein klägliches Ende nehmen.

Die Stadtverwaltung hatte im Finanzausschuss am 11. September darüber informiert, dass derzeit keine Notwendigkeit dafür gesehen werde, zu ermitteln, in welchen Gebieten aufgrund hoher Katzenpopulationszahlen den Tierhalter*innen per Rechtsverordnung vorgeschrieben werden sollte, diese vor Freigängen kastrieren zu lassen. „Die Tierschutzvereine und das Tierheim sind zu recht verärgert“, meint Kai Bekos, sachkundiger Bürger der LINKEN im Finanzausschuss. „Warum verweigert sich die Stadt einer Maßnahme zum effektiven Tierschutz? Zwar ist nicht von heute auf morgen zu ermitteln, in welchen Gebieten eine solche Regelung wirklich notwendig ist. Dass es aber geht, und Tiere vor unkontrolliertem Vermehren und somit vor Leid und Verwahrlosung geschützt werden können, zeigt die Stadt Erfurt seit nunmehr zwei Jahren.“

 

Hintergrund:

Die Stadt Jena nahm in ihrer „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Jena“ (im Folgenden: Ordnungsbehördlichen Verordnung) vor einigen Jahren eine Regelung auf, nach der Katzenhalter*innen, die ihren Katzen Zugang ins Freie gewähren, diese zuvor tierärztlich kastrieren und mittels Tätowierung oder Microchip kennzeichnen zu lassen haben, sofern sie älter als fünf Monate sind. Hiermit sollte ein unkontrolliertes Vermehren der Katzenpopulation verhindert werden. Ein Verstoß gegen die Kastrationspflicht war auch als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bewehrt. Katzen ohne menschliche Obhut und Versorgung erfahren häufig Schmerzen, Leiden oder Schäden, sind unterernährt, verletzt oder krank, da es sich um eine domestizierte Tierart handelt, die nicht an ein Leben ohne menschliche Unterstützung angepasst ist.

Im April dieses Jahres erklärte das Landesverwaltungsamt als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde die entsprechende Regelung in der Ordnungsbehördlichen Verordnung für nichtig. Hintergrund ist, dass es sich bei der Ordnungsbehördlichen Verordnung um allgemeines Gefahrenabwehrrecht handelt, das aufgrund des Thüringer Ordnungsbehördengesetzes erlassen wurde. Da es mit § 13b TierSchG (Tierschutzgesetz) in Verbindung mit der Thüringer Verordnung zur Übertragung einer Ermächtigung nach § 13b des Tierschutzgesetzes und zur Regelung des damit verbundenen mehr Belastungsausgleichs (ThürTierSchErmVO) aber nun für die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte eine speziellere Ermächtigungsgrundlage zum Schutz freilebender Katzen - so das Landesverwaltungsamt - gibt, kann eine entsprechende Verordnung auch nur noch auf diese und nicht mehr auf das Thüringer Ordnungsbehördengesetz gestützt werden.

Es ist also auch im derzeitigen bundes- und landesrechtlichen Rahmen für die kreisfreie Stadt Jena möglich, nach vorheriger Analyse der Population, für einen Teil bzw. das gesamte Stadtgebiet eine rechtsgültige Verordnung zur Kastration von freilebenden Katzen zu erlassen. Die ebenfalls kreisfreie Stadt Erfurt hat dies bereits vor zwei Jahren mit der „Verordnung nach § 13b des Tierschutzgesetzes für das Gebiet der Landeshauptstadt Erfurt (Katzenschutzverordnung) vom 13. Oktober 2016“ getan. Der nunmehr seit einigen Monaten herrschende regelungslose Zustand in Jena hatte Unverständnis und Unmut bei Tierschützer*innen hervorgerufen, welcher auch in der Lokalpresse Widerhall fand (vgl. u. a. OTZ Jena vom 23.08.2018: https://jena.otz.de/web/jena/startseite/detail/-/specific/Jenaer-Tierschuetzer-sehen-sich-um-ihre-jahrelange-Arbeit-gebracht-948286725).